90 Grad - wie die Polarregionen das globale Klima beeinflussen
Sie sind die äußersten Grenzen unserer Erde, eine scheinbar unendliche Weite unwirtlichen Terrains und obwohl von entscheidender Bedeutung für das Weltklima meteorologisch unzureichend erforscht: Die Pole der Erde und ihre unmittelbare Umgebung.
Für die Entdecker und Abenteurer des 19. Jahrhunderts hatte zunächst der Nordpol eine fast magische Anziehungskraft. Die Vorstellungen, die man damals über den nördlichsten Punkt der Erde – dieses mythische Ultima Thule – hatte, gingen in verschiedene Richtungen. Während viele in der Arktis einen bislang unentdeckten Kontinent vermuteten, hatten andere die Vision eines offenen - eisfreien - Polarmeeres, das den Pol umgibt.
Heute sind beide Pole unseres Planeten - zumindest geografisch - erschlossen. 1911 erreichte der Norweger Roald Amundsen auf einem Hundeschlitten den Südpol. Der Nordpol sollte noch ein paar Jahrzehnte länger unberührt bleiben: der erste Mensch, der ihn nachweislich betreten hat, führte 1968 eine vierköpfige Expedition auf Schneemobilen zum 90. nördlichen Breitengrad.
The Polar Prediction Project - zwei Jahre Forschung an den Polen
Am 15. Mai 2017 startete in Genf eine internationale Forschungsinitiative unter dem Titel „Year of Polar Prediction“. Partner aus 20 Ländern haben sich zum Ziel gesetzt, während eines zweijährigen Projekts Wetter-, Eis- und Klimaprognosen für Arktis und Antarktis zu verbessern. Denn obwohl die Pole weit entfernt und unzugänglich scheinen, sind sie keineswegs isoliert. Seit längerem ist Wissenschaftlern bekannt, dass der Klimawandel sich deutlich stärker auf die Polarregionen auswirkt als auf die restliche Geografie der Erde. Die Arktis und Teile der Antarktis erwärmen sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt.
"Aufgrund von Fernwirkungen beeinflusst der Klimawandel in den Polarregionen das Wetter und Klima in den mittleren Breiten, in denen Abermillionen Menschen leben", bestätigt Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie.
Warme Luftmassen in der Arktis und das Abschmelzen des Polareises wirken sich auf Meeresströmungen und Jetstreams aus und stehen zudem im Zusammenhang mit Wetterextremen in der nördlichen Hemisphäre. Das Forschungsprogramm des Year of Polar Prediction will die Beobachtungslücke schließen, die über Jahrzehnte entstanden ist, in denen man meteorologische Beobachtungen in erster Linie auf stark besiedelte Gebiete konzentriert hatte. In den kommenden zwei Jahren werden verschiedene Messkampagnen in der Arktis und Antarktis durchgeführt werden. Die Zahl der automatischen Messstationen wird erhöht werden und daraus gewonnene Daten sollen es Experten ermöglichen, genauere und bessere Modellierungen der Eis- und Wetterentwicklung in den Polarregionen zu erstellen.
Gefahr einer eisfreien Arktis ab Mitte des Jahrhunderts
Ein eisfreier Nordpol inmitten eines gigantischen schiffbaren Ozeans. Was ursprünglich eine romantische Vorstellung aus der Blütezeit der Nordpolexpeditionen war, könnte nur zweihundert Jahre später Wirklichkeit werden. Blieben die Schiffe der Nordpolfahrer Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen 70. und 80. Breitengrad unweigerlich im Packeis stecken, soll die Arktis, glaubt man heutigen Klimaforschern, in nicht allzu ferner Zukunft eisfrei sein. Denn wird das globale 1,5°C-Ziel nicht erreicht, kann es durchaus möglich sein, dass die Eisfläche am Nordpol auf unter eine Million Quadratkilometer zurückgeht. Damit wären die Bereiche rund um den geografischen Pol eisfrei und nur in den Gebieten um die Inseln Kanadas und an der Nordküste Russlands wäre noch Eis vorhanden. Unter diesem Aspekt klingt sie gar nicht so fantastisch, die Vision des deutschen Kartographen August Petermann, der 1865 erklärte: „Schiffe, die diesen Eisgürtel durchbrechen, werden ein schiffbares Meer in den höchsten Breiten und bis zum Pol selbst finden.“
Weitere Information zum Forschungsprojekt auf der Website des Polar Prediction Project.