„Die Wiesionären“
In Wies in der Südweststeiermark lebt Familie Birmily echte Nachhaltigkeit. Das alte Bauernhaus wurde behutsam renoviert. Sohn Raimund, 39, arbeitet in der Automobilbranche in Graz, pendelt mit dem Zug an seinen Arbeitsplatz. Gegessen wird wenig Fleisch, geheizt wird mit Pellets.
An dichten Mischwäldern, grünen und gelb leuchtenden Feldern entlang, zieht es uns heute fast bis an die slowenische Grenze hinunter. Wies in der Südweststeiermark ist unser Ziel. Vier Ortsteile umfasst die etwas mehr als 4.000 Einwohner:innen zählende Marktgemeinde: Limberg, Wernersdorf, Wielfresen und eben Wies, wo uns die Familie Birmily bereits erwartet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts blühte hier der Kohlebergbau auf. Man sprach vom sogenannten „Wieser Revier". Dieser einst für unerschöpflich gehaltene Energiespender ermöglichte auch glasverarbeitende Betriebe in Vordersdorf und Wies. Das sehr empfehlenswerte Bergbaumuseum in Limberg zeugt von dieser bedeutenden Historie.
Kernöl und Schilcher-Land
Heute werden hier Getreide und Gemüse angebaut, zahlreiche Buschenschanken hegen und pflegen die regional von Weißwein und Schilcher bestimmte Weinkultur. Letzterer, ursprünglich als ein einfacher Haustrunk gedacht, hat gewaltig an Qualität zu- und eine veritable Erfolgsgeschichte hingelegt. Stolz sind die Steirer natürlich auch auf ihr Kernöl. Es wird hier an zahlreichen Höfen feilgeboten – auch ich konnte nicht widerstehen und schnappte mir im Vorbeifahren ein Fläschchen. Familie Birmily betrieb einst ebenfalls eine kleine Landwirtschaft.
Der Herbert
Das Erste, was uns an diesem strahlend sonnigen Tag auffällt, als wir an dem Grundstück von Familie Birmily einparken: der akkurat getrimmte Rasen. Dafür verantwortlich ist der automatische Rasenmäher, der uns freundlich entgegenschnurrt. Gleich dahinter schon der Raimund, der mit seinen Eltern Karl und Christiana in dem alten Bauernhaus wohnt. „Er ist schon fast ein Familienmitglied“, scherzt der 39-jährige Informatiker. „Eigentlich wollten wir ihn Herbert nennen. Er wohnt gleich neben dem Tor, da ist seine Ladestation (lacht). Ich könnt mir ohne ihn den Garten fast nicht mehr vorstellen.“ Der „Herbert“ freilich fristet ein gemütliches Dasein. Er ist, das ist der Familie ganz wichtig, nur vormittags im Einsatz, um den Tierbestand, etwa freilaufende Katzen und Igel, nicht zu gefährden. Eine Katze hatten sie einmal, erzählt – wir sitzen bereits zum Gespräch in der Weinlaube – Raimunds Mutter Christiana. „Sie wurde 20 Jahre alt und fehlt uns heute noch.“ Wahrscheinlich finden sich im Haus deshalb zahlreiche Katzenbilder und Katzenfiguren.
»Unser Kater Bärli wurde fast 20 Jahre alt. Wir vermissen ihn heute noch.« Christiana
Das Haus
Das Haus haben übrigens einst Raimunds Großeltern mütterlicherseits erworben. Rund 150 Jahre alt sei es, meint die Familie. Die Großeltern pflegten hier noch eine kleine Landwirtschaft mit einigen Schweinen und Kühen, ein wenig Gemüse. Nichts Großes, aber sie waren bescheiden und fanden ihr Auskommen, erzählt Raimund. „Wo jetzt die Garage ist, war früher der Stall.“ Anfang der 1980er Jahre übergaben die Großeltern dann das Haus an die Eltern, die allerdings die Landwirtschaft nicht mehr fortführen wollten. Karl fand nämlich eine sichere Arbeit als Zollbeamter in Radlbass an der gerade acht Kilometer nahen Grenze zu Slowenien. Seine Frau Christiana war mit der Rolle als Hausfrau und Mutter dreier Kinder – Raimunds älterer Bruder werkt im Baugewerbe, die ältere Schwester in einem Büro – voll beschäftigt. Nach und nach renovierte die Familie das alte Bauernhaus.
»Ich fühl mich einfach wohl hier. Bis zu zwei mal in der Woche arbeite ich auch von daheim, im Home Office. Im Haus gibt's auch immer etwas zu tun.« Raimund
Die Rückkehr
Der Raimund selbst hat Informatik studiert. Nach fast zehn Jahren im Ausland – Deutschland und Spanien – packte ihn das Heimweh, denn schon als kleiner Bub tobte er hier mit den Geschwistern im Garten. „So wohne ich jetzt wieder im Elternhaus“, meint Raimund zufrieden. Einer eigenen Familie sei er nicht abgeneigt, meint er auf Nachfrage, aber: „Da mach ich mir gar keinen Stress.“ Stressfrei ist auch sein Arbeitsweg. Zum IT-Job in der Automobilbranche nimmt er nicht das Auto, sondern den Zug. „Mein Arbeitgeber fördert das sogar“, lacht Raimund. Die Bahnstation ist nahe, die 80 Kilometer lange Fahrt – etwas über eine Stunde nach Graz an seinen Arbeitsplatz – nutzt er zum Plaudern mit Kollegen oder Zeitunglesen. Nachhaltigkeit dürfte der ganzen Familie im Blut liegen, wie auch Vater Karl, mittlerweile 80 Jahre, erzählt.
Die Heizung muss unkompliziert sein
„Ich bin schon sehr froh, dass ich nicht mehr regelmäßig Kohle in den Keller schaufeln muss“, erzählt Karl mit Blick auf die hübsch weiß-grün quergestreifte Kellertüre. 2014, Karl war damals 72 Jahre und bereits in Pension, machte ihm sein Rücken allmählich zu schaffen. Seiner acht Jahre jüngeren Frau Christiana wollte er diese schwere Arbeit erst recht nicht zumuten, Sohn Raimund war nicht immer da. Eine nachhaltige Alternative wollten sie. Raimunds ältere Geschwister, sie leben in der Nähe, sind schon früher auf Pellets umgestiegen und waren immer sehr zufrieden. „Uns ist wichtig, dass alles unkompliziert und einfach geht, von alleine läuft“, so Familie Birmily unisono. Eine Herausforderung waren die kompakten Raumverhältnisse, aber es ging sich alles aus mit einem Jahresbedarf von knapp 4.000 Kilo, also vier Tonnen. Gefallen hat der Familie auch, dass sie die Heizkörper, zuvor von Kohle befeuert, weiter verwenden konnten.
»Uns allen war wichtig, dass wir eine bequeme und nachhaltige Versorgung mit Energie haben.« Karl
Der olympische Gedanke
Es ist Mittagszeit, Mutter Christiana entschuldigt sich nun, sie möchte auf ihr Gemüse schauen. Heute gibt es nämlich Letscho mit Erdäpfeln. Kein Fleisch? Nein, sie koche viel Saisonales, viele Hülsenfrüchte, sagt sie noch rasch. Sie kauft oft am Bauernmarkt in Wies. Fleisch komme nur zwei Mal pro Woche auf den Teller, „ja, die beiden mussten sich erst langsam daran gewöhnen“. Die Birmilys leben gesund, in der Weinlaube wird Fruchtsaft gereicht. Raimund ist sportlich, läuft manchmal Halbmarathon und fährt gerne Rad. Sein Motto nach dem olympischen Gedanken: „Dabei sein ist alles.“ Aber: „Wenn’s passt“, gönnt er sich nach der Arbeit ab und zu ein „Bierli“. Langweilig wird den drei „Wiesionären“ auch in Zukunft nicht, es gibt immer etwas zu tun in Haus und Garten. Erst vor wenigen Wochen ist die Einfahrt fertig geworden. Apropos fertig: Auch wir sind langsam fertig, packen zusammen und verabschieden uns. Zum Abschied schnurrt noch einmal der Herbert an uns vorbei. So wie wir ist auch er auf dem Weg zu seiner Ladestation.
Im Vergleich zu einer fossilen Ölheizung spart Familie Birmily
mit ihrer modernen Pelletheizung jährlich 5,3 Tonnen CO2 ein. Das entspricht den Emissionen eines Autos, das rund 36.000 km fährt!