Über allen Wipfeln - zur Geschichte des Waldes in Österreich Teil 2
Über 3,4 Milliarden Bäume gibt es in Österreichs Wäldern und 65 verschiedene Baumarten – gerechnet auf die Einwohner kommen auf jede Österreicherin und jeden Österreicher 391 Bäume. Mehr als 80 Prozent davon sind in Privatbesitz.
Österreich ist seit jeher ein Waldland. Fast die Hälfte des Bundesgebietes ist von Wald bedeckt, nämlich rund 4 Millionen Hektar. Was genau als Wald gilt, das ist im Österreichischen Forstgesetz genau definiert: Ein Wald ist mindestens 1000 Quadratmeter groß, 10 Meter breit und weist eine Überschirmung mit Holzgewächsen von mindestens 30 Prozent auf.
Nachhaltige Waldbewirtschaftung seit Generationen
Wenn wir in Österreich vom Wald reden, sprechen wir bis auf wenige Ausnahmen von Wirtschaftswald. Knapp vier Fünftel der Waldfläche wird bewirtschaftet. Dass eine planvolle und nachhaltige Waldbewirtschaftung Voraussetzung für einen gesunden Wald ist, erkannte man schon vor über 200 Jahren. Nachdem im 18. Jahrhundert der Begriff der Nachhaltigkeit im Sinne des verantwortungsvollen Umgangs mit den natürlichen Ressourcen der Wälder geprägt wurde, folgten diverse strenge Forstgesetze, die sicherstellten, dass eine Überbeanspruchung der Wälder, wie sie zuvor jahrhundertelang stattgefunden hatte, nicht mehr vorkam. Heute ist uns allen klar, dass wir den Wald als einen wesentlichen Teil unserer Lebensgrundlage schützen müssen.
Die vielen Schutzfunktionen des Waldes
Die Funktionen, die ein gesunder Wald erfüllt, sind komplex. Nicht nur für den Menschen ist er von zentraler Bedeutung, auch für das Gleichgewicht der Natur ist der Wald unverzichtbar. So fungiert er als eine Art Schirm, indem er Regen auffängt, einen Teil davon verdunstet, in die Atmosphäre zurückgibt und so ausgleichend auf das Kleinklima wirkt. Der Waldboden ist ein natürlicher Wasserspeicher, der große Mengen Niederschlag aufnehmen kann und damit dazu beiträgt, Hochwasser zu reduzieren bzw. zu verhindern. Rund 21 Prozent des Österreichischen Waldes sind sogenannter Schutzwald. Dieser Schutzwald liegt in einer Höhe ab etwa 1300 Metern und verringert signifikant die Gefahr von Hangrutschen und Steinschlägen. Außerdem stellt er den wichtigsten Schutz vor Lawinen dar. Während die Baumstämme das Abrutschen der Schneedecke verhindern, bleibt ein Teil des Schnees in den Baumkronen hängen.
All diese Aufgaben kann ein Wald nur erfüllen, wenn er entsprechend gepflegt und reguliert wird. Waldpflege und naturnahe Waldbehandlung sind in Österreich elementare Bereiche der Forstwirtschaft. Ein gut gepflegter Wald ist nachhaltig stabil und verfügt über eine für die jeweilige Region optimale Mischung von Baumarten. Schutzwälder sollten zum Beispiel aus Baumarten bestehen, die resistent gegenüber Verletzungen und gut an das alpine Klima angepasst sind.
Biodiversität und Naturwälder
Biodiversität ist neben Nachhaltigkeit der zweite wichtige Aspekt bei der Waldbewirtschaftung. Um die Artenvielfalt der Flora und Fauna in heimischen Wäldern kümmert sich das Naturwaldreservate-Programm. 1995 gegründet hat sich dieses Projekt zum Ziel gesetzt, den Naturwald in Österreich zu fördern.
Unter Naturwald versteht man ein Waldgebiet, das im Wesentlichen sich selbst überlassen wird ohne Eingriffe durch den Menschen. Fast 200 solcher naturnahen Reservate gibt es in ganz Österreich, in ihnen sollen sich mit der Zeit wieder urwaldähnliche Strukturen entwickeln, weshalb der Zugang reglementiert und meist nur im Rahmen geführter Wanderungen und auf ausgewiesenen Wegen möglich ist.
Strengstens verboten ist das Betreten des Rothwaldes, des größten erhaltenen Urwaldgebiets Mitteleuropas. Teile dieses Waldes bestehen seit mehr als 6000 Jahren und noch nie hat der Mensch in diesen geschützten Raum eingegriffen. Um sicherzustellen, dass das auch so bleibt, ist die genaue Lage des Urwaldrests geheim. Einige wenige Male im Jahr verirrt sich der eine oder andere Wanderer in das unwegsame Gelände an der Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark.
Klimawandel und Wald
Die Zukunft des Österreichischen Waldes wird in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten stark vom Klimawandel geprägt sein. Schon jetzt zeugen extreme Wetterverhältnisse und das vermehrte Auftreten von forstschädlichen Insekten von den Konsequenzen der globalen Erwärmung. Fest steht: Die Auswirkungen des Klimawandels werden regional unterschiedlich sein. So geht man davon aus, dass es in alpinen Regionen vermehrte Lawinen- oder Murenabgänge geben wird, während tiefer gelegene Gebiete im Osten mit häufigeren Trockenperioden zu kämpfen haben werden. Um für solche Probleme gerüstet zu sein, arbeiten Wissenschaftler*innen aus dem gesamten Alpenraum an einer an die veränderten Klimaverhältnisse angepassten Bewirtschaftung der Wälder. Der Wald wird sozusagen „klimafit“ gemacht.
Dass der heimische Wald durch die forcierte Nutzung von Holz als Baumaterial und Energieträger zu leiden hat, muss man keineswegs befürchten. Seit fünfzig Jahren erhebt die österreichische Waldinventur (ÖWI) den Zustand und die Veränderungen des österreichischen Waldes, ihre Daten geben Auskunft über dessen Stabilität und werden als Grundlage für Entscheidungen in der Wald- und Umweltpolitik herangezogen. Der Holzvorrat, das belegen Studien, steigt seit den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts stetig an. Naturschutz und die vermehrte Nutzung von Holz als Rohstoff und Energiequelle müssen sich nicht widersprechen. In Österreich ist man in der glücklichen Lage, durch ausgezeichnete Grundlagen – ein großes Waldvorkommen und strenge Forstgesetze – eine naturnahe, umweltverträgliche und klimaschonende Bewirtschaftung der Wälder durchführen zu können.