Kuschelnest im Waldviertel
Ein Bauleiter modernisiert und erweitert sein Elternhaus, seine Partnerin verschönert die malerisch gelegene Immobilie mit ihren Kunstwerken: Franz Fichtinger und Marion Karlinger leben in einem kleinen Waldviertler Dorf ihren großen Wohntraum. Die Vorfahren würden staunen!
Die Kühe hätten eine Gaudi gehabt“, lacht Franz Fichtinger. Dann ruft er „Lautstärke zwei!“. Die Musik im Partykeller, der einst ein Kuhstall war, wird sofort deutlich leiser. Fichtinger, Jahrgang 1962, ist ein erstaunlicher Typ: Als Bauleiter war er jahrelang in ganz Österreich unterwegs, an durchschnittlichen Tagen besuchte er Baustellen in zwei bis drei Bundesländern. Gelebt hat er aber immer nur hier: in seinem Elternhaus, einer Landwirt schaft in der Waldviertler Marktgemeinde Schönbach. Sogar geboren ist er in diesem Haus. Seine älteste Schwester Margit, damals 13, hat die Rolle der Hebamme übernommen. „Bis der Doktor gekommen ist, war ich schon da“, schmunzelt Fichtinger. Obwohl er jahrelang „on the road“ war, ist er geblieben. Die Wohnfläche des ursprünglich kleinen Gebäudes hat er, großteils in Eigenregie, fast verdoppelt. Der Vater, Zimmermann von Beruf, und ein Bruder, Elektriker, haben dabei geholfen. Ein weiterer Bruder, gelernter Tischler, hat alle Türen gemacht. Heute ist das im 19. Jahrhundert errichtete ehemalige „Sacherl“ ein modern-mondäner Wohlfühlort. Daran hat auch Marion Karlinger einen großen Anteil: Sie ist Fichtingers Lebensgefährtin – und Keramikkünstlerin.
Niemand soll allein sein
Einige ihrer Werke sieht man im Garten. Eines fällt schnell auf: egal ob getöpferte Kugeln mit Aufschriften wie „Liebe“ und „Freude“, Schildkröten, oder die Fische Nemo und Dori aus „Findet Nemo“: Die meisten Arbeiten von Marion Karlinger sind paarweise oder zu viert in der Pflanzenpracht platziert. „Eine Figur allein wäre einsam“, sagt die Künstlerin. Viel Gesellschaft haben auch die Pflanzen in dem großen, bunten Garten: Das Paar hat hunderte Arten angepflanzt, neben gängigen Blumen, Sträuchern, Kräutern und Obstsorten gibt es hier auch einen Olivenbaum, dazu ausgefallene Hingucker wie einen Seidenbaum, Elefantengras oder Hängezierbirnen. Letztere verwendet MarionKarlinger gerne als Dekoration,zum Essen sind sie ungeeignet. „Die fressen nicht einmal die Rehe, die so entspannt hier herumgehen, dass irgendwann einmal eines bei uns anläuten wird“, schmunzelt Franz Fichtinger. Einige Pflanzen beete hat er mit Fichtenstämmen aus dem eigenen Wald eingerahmt: Schaut gut aus, passt zum Waldviertel und ist bequem beim Arbeiten im Beet. Ob der Name Fichtinger mit dem Fichtenwald zu tun hat, bei dem Familie Fichtinger seit vielen Generationen lebt? „Gut möglich“, meint der Hausherr. Ursprünglich hat er den Garten für seine 2015 verstorbene Mutter angelegt. Diese war in ihren letzten Lebensjahren schwer krank. „An Pflanzen hat sie bis zum Schluss Freude gehabt“, erzählt Franz Fichtinger. Deshalb habe er begonnen, bei seinen Baustellen-Touren– in 25 Jahren ist er zwei Millionen Kilometer gefahren – österreichweit nach schönen Pflanzen Ausschau zu halten. Fiel ihm in Gärten etwas Besonderes auf, hat er angeläutet und sich erkundigt, welche Pflanzen das sind. Seine Mutter habe auf manche pflanzlichen Überraschun gen zunächst wenig begeistert reagiert. Motto: „Bua, wos bringst do wieda daher?“ „Wenn die Pflanzen dann gewachsen sind und geblüht haben, hat sie sich gefreut“, er zählt der Hausherr. Ob sich seine Mutter auch jetzt freut, wenn sie „obaschaut“ und den Garten sieht? „I glaub scho’“, schmunzelt er.
Heizung „mit Hirn“
Könnten die vielen Vorfahren, die hier seit „spätestens 1880“ gelebt haben, sehen, was aus „ihrem“ Haus geworden ist – sie kämen aus dem Staunen wohl kaum heraus. Der Ausblick, den wir von bunten Pflanzen umgeben auf der Terrasse genießen, wäre ihnen wohl am vertrautesten: Im Westen der mit Wackelsteinen verzierte Hang, daneben der Fichtenwald. Im Osten sieht man zwischen Baumwipfeln die Dächer von Schönbach, dahinter malerische Landmarks wie den Rapottenstein. Aber spätestens beim „Cola-Kraut“ aus dem eigenen Garten, das neben Salbei und Pfefferminz dem Wasser im Krug Aroma und Geschmack verleiht, hätten sich wohl einige „Altvordere“ gewundert. Dazu gibt’s auch auf der Terrasse Musik in bester Klangqualität, es läuft der Internetsender „Radio Flamingo“. Im Stadel steht neben einem historischen Traktor, Baujahr 1965, ein modernes Quad, mit dem Franz gerne durch den Wald fährt. Zum Schwammerlsuchen kommt auch Marion mit. Und im früheren Kuhstall, dem eingangs erwähnten Partykeller, arbeitet ein Pelletofen. „Zeig ich euch, wenn wir rübergehen“, meint der Hausherr. Und korrigiert sich sogleich selbst: „Ich kann euch die Pellletanlage auch hier zeigen.“ Er zückt sein Smartphone. „Da seh ich genau, wie der Lagerstand ist, wie Heizung und Warmwasser-Produktion gerade laufen.“ Dieser Komfort war, neben dem Umweltgedanken, der Hauptgrund, warum der Waldbesitzer die alte Ölheizung 2022 durch ein modernes Pelletsystem ersetzt hat. „Für das Heizen mit Stückholz musst du auch körperlich fit sein“, weiß er. „Wir werden alle nicht jünger. Da ist eine Heizung, die du von überall aus regeln kannst, ein sehr großer Vorteil. Diese Heizung hat ein Hirn.“ Da würden die Ahnen staunen, was heute alles möglich ist! Gut vertraut wäre ihnen wohl der Zusammenhalt in der Familie.
Zusammenhalt & starke Wurzeln
Franz Fichtinger ist mit acht Geschwistern im damals noch kleinen „Sacherl“ aufgewachsen. „Wir haben immer zusammengehalten, verstehen uns heute noch gut.“ Auch das handwerkliche Geschick ist eine Familientradition: Franz Fichtinger hat bei der Erweiterung des Hauses alle Maurerarbeiten selbst erledigt, Fenster eingebaut, die Fassade verputzt, Fliesen gelegt. Der Vater hat die Holzar beiten und das Dach gemacht, die Türen und die Elektrikerarbeiten die Brüder. Mit Marion ist nun künstlerische Kompetenz hinzugekommen. Ihre Figuren und Wandmalereien schaffen in dem ursprünglich vor allem auf landwirtschaftliche Arbeit ausgerichteten Anwesen eine märchenhaft-verträumte Atmosphäre. „Marion ist immer und überall kreativ, es ist unglaublich“, sagt Franz immer wieder – und Marion bewundert sein vielseitiges handwerkliches Geschick. Die Handwerkstradition wird auch von der Gemeinde hochgehalten: ImmMuseum Schönbach informieren Ausstellungen über „altes“ Handwerk wie Korbflechten und Seifensieden. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde Schönbach erstmals urkundlich als Markt erwähnt. Ab dem 15. Jahrhundert war der Ort ein beliebter Wallfahrtsort. Auch Kaiser Leopold I. soll die gotische Wallfahrtskirche besucht haben.
Wenig Schnickschnack, viel Liebe
Marion Karlinger, geboren 1968, ist „als Arbeiterkind ohne viel Schnickschnack" mit drei Geschwistern in Steyr aufgewachsen. Wie ihr das Leben in Schönbach gefällt? „Meine Zuneigung zu diesem Ort ist mit der Zeit gewachsen“, erklärt sie. „Aha“, hakt Franz schelmisch ein. „Wächst das eh noch weiter, oder muss ich ein bisschen düngen?“ Sieht man das Paar zusammen lachen, besteht kaum Zweifel: Es wird weiter wachsen, die Liebe zwischen den beiden ist der Dünger. Auf die Frage, ob er bei seinen vielen Fahrten durch ganz Österreich auch andere Orte entdeckt hat, die ihm zum Wohnen gefallen würden, antwortet Franz Fichtinger: „Freilich! Ich hab sehr viele sehr schöne Gegenden kennengelernt. Aber man ist nur dort daham, wo man daham ist. Hier hab' ich meine Wurzeln.“